Häufigste Suchterkrankungen in der allgemeinmedizinischen Praxis sind

Nikotinmißbrauch und Alkoholkrankheit

 

 

Der Alkoholismus aus Sicht des Praktischen Arztes - Behandlungsmöglichkeiten (J.Schleinitz)

 

Die Alkoholkrankheit stellt in unserer Zeit ein ganz besonderes Problem dar. Da Alkohol eine gesellschaftlich akzeptierte Droge ist, ist für manchen Patienten die Krankheitseinsicht die schwierigste Hürde. Es schleichen sich doch schlechte Lebensgewohnheiten ein, die oft erst beim Check-up in Form der erhöhten Leberwerte im Blut auffallen. Wenn ich dann bei der Auswertung der Laborergebnisse dem Patienten sagen muß, daß die zwei bis 3 Flaschen Bier jeden Abend wohl doch nicht spurlos vorübergegangen sind, ernte ich meist ungläubige Blicke und Entrüstung.

 

Als wichtige Information für den geneigten Leser sei gesagt, daß wir unter bestimmten Voraussetzungen auch eine ambulante Entgiftungstherapie in unserer Praxis durchführen. Dies kann jedoch in den meisten Fällen nur eine „Notlösung“ sein. Goldstandard ist immer noch die sogenannte Qualifizierte stationäre Entgiftungstherapie. Wenn wir uns jedoch die Entgiftungstherapien in diesem oder jenem Krankenhaus in der Umgebung ansehen, wo man mit Substanzen arbeitet, die seit Jahren in diesem Bereich der Medizin „out“ sind (z.B.Distraneurin, Haloperidol), scheue ich mich manchmal, meine Patienten dorthin zu überweisen.

 

Standard der medikamentösen Entgiftungstherapie ist derzeit die Kombination von Carbamazepin mit Tiaprid. Wir haben schon die ersten Patienten auf diese Weise erfolgreich behandelt und sind sehr zufrieden. Die Gabe von Prazosin ist etwas umstritten. Es kann sicher bei einer Blutdruckerhöhung in der Entgiftungsphase mit gute Wirkung erzielen. Ich persönlich setze Prazosin hier nicht ein.

 

Um das Verlangen nach Alkohol, den sogenannten „Saufdruck“ (Craving) zu unterdrücken, kann das Medikament Campral rezeptiert werden. Die Verordnung dieses Medikaments ist jedoch nicht in den Kassenleistungen enthalten und muß in jedem Falle vom Patienten selbst getragen werden (Preis: ca.300DM/ Monat, entspricht ca. 1 Flasche Schnaps/ Tag)

 

Wann darf eine Entgiftungstherapie nicht ambulant durchgeführt werden:

 

Wann darf eine Entgiftung ambulant durchgeführt werden:

 

Nach der Entgiftungsphase folgt die sogenannte Entwöhnungsphase. Dies ist sicher für den Betroffenen ein sehr schwieriger Lebensabschnitt zur Überwindung der Krankheit. Unterstützung sollte hier vor allem durch den sozialmedizinischen Dienst der Gesundheitsämter erfolgen. Theoretisch müßte auch eine psychologische Mitbetreuung erfolgen, leider sind die Psychologen hierzulande nicht eben dicht gesät. Termine kann man ca. in 3 Monaten erwarten. Die größte Bedeutung hat aus unserer Sicht natürlich das soziale Umfeld des Patienten, die Familie, die Freunde. Wenn von hier keine Unterstützung des Patienten zu erwarten ist, bei Geselligkeiten oder Familienfeiern gar noch Alkohol angeboten wird, nach dem Motto „Ein Schlückchen tut doch keinem weh“, dann ist sicher der Rückfall vorprogrammiert.

 

Drittens folgt die Abstinenzphase , die in wenigen Fällen Jahre und Jahrzehnte anhält. Man rechnet mit mindestens 75% Rückfällen der Trunksucht innerhalb des ersten Jahres nach der Entgiftungsphase. Nach unseren Erfahrungen liegt die Rückfallquote jedoch um einiges höher.